Wofür wir stehen ...
Liberale Sozialpolitik bedeutet, allen Menschen die besten Chancen zu geben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und ihre Träume zu verwirklichen. Wir Freie Demokraten im Bayerischen Landtag wollen Bürger jedweder sozialen Herkunft, mit und ohne Behinderung, jeden Alters und Geschlechts möglichst optimal darin unterstützen, mit Erfolg an Bildung, Arbeit und gesellschaftlichem Zusammenleben teilzuhaben.
Gerade für Menschen mit Behinderung wollen wir durch bessere Anreize und optimale Nutzung moderner Technologie dafür sorgen, dass Barrieren abgebaut und Chancen aufgebaut werden.
Soziales
Status Quo
Die Broschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales „Soziale Sicherung im Überblick“ umfasst insgesamt 225 Seiten, auf welchen das deutsche Sozialsystem erklärt wird. Die Sozialleistungen des Freistaats Bayern sind hier noch nicht einmal aufgezählt. Der Versuch, herauszufinden, auf welche Leistungen man Anspruch hat, bedeutet also eine stundenlange Recherche. Die Leistungen werden zudem jeweils von einer anderen Behörde ausgezahlt, was ein zeitraubendes Behörden-Hopping bedeutet. Das System ist über die Jahre schwerfällig und sehr bürokratisch geworden. Alleine gegen die Entscheidungen der Jobcenter wurden in den letzten fünf Jahren fast vier Millionen Widersprüche und 700.000 Klagen eingereicht. Die vielen Angebote und Leistungen unseres Sozialstaates sind unübersichtlich und verschlingen durch die aufwendige Verwaltung unnötig Geld, das an anderer Stelle dringender gebraucht und den Menschen besser zu Gute kommen könnte. Die Angebote des Freistaats, wie beispielsweise das Familiengeld machen das System noch unübersichtlicher und sind zudem nicht zielgenau.
Das aktuelle System bewirkt außerdem, dass eine Arbeitsaufnahme teilweise geradezu bestraft wird. Wer aus der Langzeitarbeitslosigkeit heraus eine Arbeit aufnimmt, muss derzeit von jedem hart erarbeiteten Euro 80, 90 oder gar 100 Cent an den Staat abgeben. Im Bereich zwischen 1.500 bis 2.300 Euro kann eine Ausweitung der Arbeitszeit für ein alleinerziehndes Elternteil sogar zu weniger netto am Ende des Monats führen. Das ist weder motivierend, noch gerecht.
Liberales Bürgergeld als Überwindung des aktuellen Systems
Es ist daher notwendig, dass in einem ersten Schritt die Sozialleistungen des Sozialgesetzbuchs II, das Wohngeld und der Kinderzuschlag zu einer Leistung zusammengefasst werden. Dadurch wäre die aktuelle Situation der nicht aufeinander abgestimmten Sozialleistungen beseitigt und wir würden dem Ziel eines Staates näherkommen, der den Menschen das Leben nicht schwer, sondern einfach macht. Denn das nicht mehr zeitgemäße Rennen von Amt zu Amt würde dadurch endlich zur Vergangenheit gehören. Darauf aufbauend soll die Integration aller weiterer steuerfinanzierter Sozialleistungen in das liberale Bürgergeld erfolgen.
Die Zusammenfassung der Sozialleistungen ist jedoch nur der erste Schritt auf einem Weg zu einem gerechteren und transparenteren System der Grundsicherung. Durch eine deutliche Verbesserung der Hinzuverdienstgrenzen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende soll erreicht werden, dass Anstrengung in unserer Gesellschaft wieder Anerkennung findet. Wie auch die Untersuchungen des Ifo-Instituts bestätigen, würde diese Verbesserung der Hinzuverdienstgrenzen dazu führen, dass ca. 300.000 Menschen eine Arbeit neu aufnehmen würden.
Zudem soll das System durch die Einführung diverser Pauschalen und Entlastungen entbürokratisiert und vor allem digitalisiert werden. Die dadurch frei werdenden Personalressourcen können bei der Betreuung und Vermittlung von Leistungsbeziehern eingesetzt werden und somit deren Chancen auf eine Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt deutlich verbessern.
Teilhabe
Mehr Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt
Nach wie vor ist die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen deutlich höher als bei Menschen ohne Behinderungen. Zudem steigt die Zahl der Menschen, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung beschäftigt sind. Nach aktuellen Daten waren dies bayernweit fast 40.000 Personen. Diese Entwicklung zeigt, dass es bei der Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt weiterhin viele Hürden zu bewältigen gibt.
Damit mehr Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen, wollen wir das Budget für Arbeit zu einer echten Alternative zur Werkstatt ausbauen. Es soll unbürokratischer und gleichzeitig wirkungsvoller werden. Aber auch für die Werkstätten wollen wir stärkere Anreize zur Vermittlung ihrer leistungsstärksten Mitarbeiter schaffen. Um den Menschen mit Behinderung den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern, müssen sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, gleichzeitig in einer Werkstatt und auf dem ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten. Zudem wollen wir sicherstellen, dass Beschäftigte in Werkstätten vor Ort beraten und bei Bewerbungen unterstützt werden, damit ihnen der Weg in den ersten Arbeitsmarkt leichter gelingt.
Bessere Beratung und Aufklärung
In vielen Fällen sind Menschen mit Behinderung eine Bereicherung für ein Unternehmen. Leider bestehen jedoch in Köpfen von Arbeitgebern immer noch viele Vorurteile. Um dem entgegenzuwirken, wollen wir die Beratung von Arbeitgebern und die Unterstützung bei der Beantragung von Fördermitteln deutlich ausweiten. Kein Arbeitsverhältnis darf an fehlendem Wissen über die Fördermöglichkeiten scheitern. Auch sollte der Arbeitgeberservice der Bundesagentur für Arbeit stärker für die Einstellung von Menschen mit Behinderung werben und Arbeitsstellen aktiv akquirieren, damit arbeitslose Menschen mit Behinderung direkt in eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können.
Individuelle Förderung von Anfang an
Immer noch bedeutet eine Behinderung zu oft, dass eine Schülerin oder ein Schüler nicht bestmöglich individuell gefördert wird. Unser Ziel ist es, ein inklusives Bildungssystem zu schaffen, das dazu befähigt, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und den Menschen alle Chancen offenhält.
Um dies zu erreichen, sollen bereits in der frühkindlichen Bildung Sonderpädagogen Kinder mit Behinderung auch innerhalb von regulären Kita-Gruppen gezielt fördern. Diesen Ansatz wollen wir auch bei Schulen fortsetzen. Das Schulsystem muss viel durchlässiger werden, damit auch ein Wechsel von einer Förderschule auf eine reguläre Schule einfacher möglich ist. Schüler mit besonderem Förderbedarf sollen durch multiprofessionelle Teams von Pädagogen innerhalb der regulären Klassen unterstützt werden. Damit eine entsprechende Versorgung möglich ist, setzen wir uns dafür ein, dass die Studienkapazitäten in der Sonderpädagogik ausgeweitet werden.
Digitale Barrierefreiheit
Gerade die Digitalisierung eröffnet viele Chancen, um Beeinträchtigungen auszugleichen oder Barrieren abzubauen. So können beispielsweise Vorlese-Apps blinde Menschen oder Apps für Dolmetschen in Gebärdensprache gehörlose Menschen bei der Bewältigung des (Arbeits-)Alltags unterstützen.
Deshalb wollen wir öffentliche Unternehmen zur digitalen Barrierefreiheit verpflichten und das Know-how privaten Unternehmen zur Verfügung stellen. Zudem wollen wir verstärkt Weiterbildungsangebote für Menschen mit Behinderungen anbieten, damit sie den durch Digitalisierung neu entstandenen Anforderungen gerecht werden können.
Mobilitätsdienste nach Bedarf
Mobilitätsdienste ermöglichen es Menschen mit Beeinträchtigung, in allen Bereichen des Lebens frei und selbstbestimmt zu agieren. Leider ist die Bestellung dieser Dienste in vielen Fällen mit langen Vorlaufzeiten verbunden. Wenn Aktivitäten mit Freunden kurzfristig vereinbart oder spontan geändert werden, können Menschen mit Behinderung dann oft nicht teilnehmen, weil die Mobilitätsdienste nicht flexibel sind. Bisher muss im Vorfeld klar vereinbart werden, wann am Abend eine Rückkehr erfolgt. Im schlimmsten Falle muss die Rückfahrt angetreten werden, wenn das Treffen mit den Freunden gerade am schönsten ist.
Es ist an der Zeit, dass auch Mobilitätsdienste im 21. Jahrhundert ankommen und spontan gebucht werden können. Dazu wollen wir eine App schaffen, mit der Fahrten einfach gebucht werden können, die die aktuellen Standorte der Fahrdienste im Umkreis anzeigt und die Abrechnung der Fahrten deutlich vereinfacht.
Politisches und gesellschaftliches Engagement stärken
Für eine Demokratie ist es wichtig, dass allen Menschen die Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird. Hier stehen noch viele Barrieren im Weg, die wir abbauen wollen, um auch Menschen mit Behinderungen gerechte Teilhabechancen zu ermöglichen. Mit zunehmendem Grad der Behinderung sinkt bedauerlicherweise die Wahlbeteiligung und das Engagement.
Um Menschen mit Behinderungen mehr gesellschaftliches Gewicht zu geben, brauchen sie auch bei der Ausübung eines Ehrenamts in einem Verein oder einer politischen Partei Unterstützung, beispielsweise durch Gebärdendolmetscher. Zudem wollen wir sicherstellen, dass alle Wahlen und politischen Beteiligungsverfahren barrierefrei sind. Schließlich sollen Menschen mit Behinderungen nicht nur bei Themen der Teilhabepolitik gehört werden, sondern den gleichen Einfluss auf alle politischen Themen haben wie Menschen ohne Behinderung.
Teilhabeausweis
Das Selbstverständnis von Menschen mit Behinderungen ändert sich derzeit mit Recht. Früher standen Defizite und Einschränkungen im Vordergrund, seit die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft ist, orientiert man sich verstärkt an den Begabungen der Menschen. Langfristiges Ziel muss die Teilhabe in möglichst barrierefreier Umwelt sein. Mit der Änderung der Bezeichnung von "Schwerbehindertenausweis" in "Teilhabeausweis" wird die veränderte Rechtslage (amts-)sprachlich umgesetzt und zudem einem erkennbaren Bedürfnis vieler Betroffener Rechnung getragen. Der Teilhabeausweis soll nicht stigmatisieren, sondern befähigen.
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Julika Sandt, MdL
Stv. Fraktionsvorsitzende, Sprecherin für Arbeit, Soziales, Familie, Frauen, Jugend und Menschen mit Behinderung -
Petr Lehr
Referent für Arbeit, Soziales, Jugend, Familie und Integration