Chaos bei den Überbrückungshilfen beenden, Rückkehr zu ordnungspolitischen Prinzipien einleiten

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Martin Hagen, Albert Duin, Julika Sandt, Alexander Muthmann, Matthias Fischbach und Fraktion (FDP)

 

Der Landtag wolle beschließen:

Der Bayerische Landtag stellt fest:

Sämtliche Corona-Hilfsprogramme von der Soforthilfe über die Überbrückungshilfe I bis III und die sogenannte November- und Dezemberhilfe sind unterschiedlich ausgestaltet. Dabei wird immer deutlicher: die Wirtschaftshilfen kommen bei den Unternehmen nicht an, während zum Beispiel das Kurzarbeitergeld die gewünschte Stabilisierung auf dem Arbeitsmarkt entfaltet. Damit wird ein schneller Neustart nach der akuten Corona-Pandemie verspielt, weil die Unternehmen nicht die notwendigen Mittel für Investitionen haben werden. Das Versprechen einer unbürokratischen und wirksamen Hilfe wurde bislang nicht eingelöst. Vielmehr wurde das Vertrauen durch nachträgliche Anpassungen weiter beschädigt. Ein Vertrauensverlust in die staatliche Ordnung ist aber genau die Situation, die es zu vermeiden gilt. Eine Kurskorrektur bei den unwirksamen Überbrückungshilfen ist wichtiger denn je.

Die Staatsregierung wird daher aufgefordert, sich auf allen politischen Ebenen für eine Neuorientierung bei den Überbrückungshilfen mit den folgenden Eckpunkten einzusetzen:

 – Mit sofortiger Wirkung und rückwirkend bis November 2020 ist die Überbrückungshilfe nach dem "Kieler Modell für betriebliche Stabilisierungshilfen" auszugestalten auf Basis des Rückgangs des Betriebsergebnisses im Krisenzeitraum im Vergleich zum Vorjahr und nicht die Erstattung der Fixkosten oder einen Umsatzbezug heranzuziehen, dabei sind erfolgte oder erfolgende Zuschüsse mit Corona-Bezug gegenzurechnen.

 – Die Überbrückungshilfen sind u.a. nach den folgenden fairen ordnungspolitischen Prinzipien auszugestalten: 

  • keine Diskriminierung zwischen Branchen, Größenklassen und Rechtsformen;
  • anwendbar für Start-ups;
  • keine Privilegierung von Fremdkapital gegenüber Eigenkapital;
  • stärker betroffene Branchen auch stärker zu unterstützen;
  • den Mechanismus an Kriterien anzuknüpfen, die leicht feststellbar und von den Unternehmen nicht im Nachhinein veränderbar sind;
  • Anreize zur eigenen Krisenbewältigung nicht zu unterminieren und durch Selbstbehalte Mitnahmeeffekte verhindern;
  • zielgenau, selbstdosierend und rechtssicher sowie in Krisen unterschiedlicher Art schnell einsatzbereit sein.

 – Der steuerliche Verlustrücktrag ist auf drei Jahre auszuweiten.

 – Die Überbrückungshilfe muss Anreize setzen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben zu halten.

Begründung

Das Statistische Bundesamt hat für das Jahr 2020 berechnet, dass die Arbeitnehmereinkommen um 0,5 Prozent, die Unternehmer- und Vermögenseinkommen sogar um 7,5 Prozent zurückgegangen sind. Der starke Einbruch der Unternehmereinkommen zeigt, dass die tatsächliche Beanspruchung der staatlichen Hilfen durch die Wirtschaft insgesamt deutlich unter den in Aussicht gestellten Finanzmittel liegt, obwohl die Bedarfe bei den Unternehmen dringlich sind. Konkret wurden von den veranschlagten 25 Mrd. Euro für die Überbrückungshilfen bislang nur 1,5 Mrd. Euro in der ersten Phase und 1,3 Mrd. Euro in der zweiten Phase abgerufen. Der Schwenk von den Fixkostenzuschüssen hin zur Umsatzerstattung hat noch zusätzlich zur Verwirrung und zur Erhöhung der Komplexität beigetragen. Das Versprechen einer unbürokratischen und wirksamen Hilfe ist bislang nicht eingelöst. Vielmehr wurde das Vertrauen durch nachträgliche Anpassungen weiter beschädigt.

Vor diesem Hintergrund wiegt die Analyse des Kieler Instituts für Weltwirtschaft umso schwerer: Weder die Höhe der Fixkosten, noch der Umsatzausfall sind ein adäquater Maßstab für den erlittenen ökonomischen Schaden. Bei hohen variablen Kostenanteilen, die von Branche zu Branche erheblich variieren, kann es auch zu einer beträchtlichen Überförderung kommen, während es zuvor tendenziell zu Unterförderung kam. Eine Kurskorrektur bei den unwirksamen Überbrückungshilfen ist deshalb wichtiger denn je. Es braucht eine Neuorientierung der Überbrückungshilfe. Diese soll an das Kieler Modell angelehnt sein (https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/kiel-policy-briefs/2020/kieler…).

Dabei gelten folgende Grundsätze:

  • Die Überbrückungshilfe muss mittelstandsfreundlich werden.
  • Die Überbrückungshilfe muss Anreize setzen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben zu halten.
  • Die Überbrückungshilfe macht Staatsbeteiligungen überflüssig.
  • Die Überbrückungshilfe muss Marktmechanismen stärken.