Gesetzentwurf zur Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre

Gesetzentwurf der Abgeordneten Martin Hagen, Matthias Fischbach, Julika Sandt, Alexander Muth­mann und Fraktion (FDP)

zur Änderung der Verfassung, des Landeswahlgesetzes und des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes

Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre bei Landtags-, Gemeinde- und Landkreiswahlen, Volksbegehren, Volksentscheiden und Volksbefragungen sowie Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden

A)        Problem

Die Bedürfnisse und Möglichkeiten von Jugendlichen haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Jugendliche bekommen heute mehr Verantwortung auferlegt, sie müssen immer früher wichtige Entscheidungen für ihren weiteren Lebensweg treffen.

Daraus ergibt sich eine neue Lebensrealität, in der Jugendliche die Weichen für ihre eigene Zukunft schon früh stellen müssen. Ihre politischen Partizipationsmöglichkeiten haben jedoch in den letzten Jahren nicht mit dieser Entwicklung Schritt gehalten.

Jugendliche und junge Erwachsene erreichen immer früher das Abitur. Dadurch sinkt auch das Eintrittsalter ins Studium kontinuierlich. Aber auch Auszubildende sind häufig minderjährig, übernehmen jedoch verantwortungsvolle Aufgaben. Bayern hat hier eine Sonderrolle inne, da Bayerns Azubis besonders jung sind: im Jahr 2016 hatte Bayern im Durchschnitt die jüngsten Neu-Auszubildenden (Durchschnittsalter 18,7 Jahre), nahezu 45 Prozent von ihnen waren zu Beginn der Ausbildung minderjährig! So viele, wie in keinem anderen Bundesland.

Mit den zunehmend verantwortungsvolleren Aufgaben, die Jugendliche und junge Erwachsene in immer jüngeren Jahren übernehmen müssen, wächst auch der Anspruch, das politische Umfeld selbst mitzugestalten. Der Lehrplan führt Jugendliche bereits ab der Jahrgangsstufe 9 an das Fach Sozialkunde heran, in dieser Klassenstufe sind die Jugendlichen zwischen 14 und 15 Jahren alt. Die Grundlagen für eine fundierte Wahlentscheidung werden daher bereits vor der Vollendigung des 16. Lebensjahres gelegt.

Ein weiteres Problem des Wahlalters liegt im Wahllebenszyklus: Die Wahlbeteiligung in Abhängigkeit vom Alter des Wählers steigt auf einem niedrigen Niveau ein, sinkt dann im jungen Erwachsenenalter weiter ab und steigt später bis zum Rentenalter kontinuierlich an. Für den Wahllebenszyklus hat die erste Wahl eine entscheidende Rolle. Ob ein Wähler bei seiner ersten möglichen Wahl gewählt hat oder nicht, ist ein starker Prädiktor für das Ausbilden einer Wahlgewohnheit. Wer bei der ersten Wahl dagegen nicht wählt, wird erheblich länger brauchen, bis sich eine Wahlroutine etabliert. In diesem Zusammenhang ist das Alter von 18 Jahren ein äußerst schlechtes Eintrittsalter, da es in eine sehr mobile und instabile Lebensphase der Jugendlichen und jungen Erwachsenen fällt. Die Jugendlichen verlassen ihre gewohnte Umgebung, ziehen zum Studieren weg. Dazu kommen komplizierende Umstände wie das Anmelden eines Zweitwohnsitzes, das Zusenden der Wahlunterlagen an die Heimatanschrift und nicht an die Semesteranschrift sowie das Fehlen der elterlichen Begleitung. Vor diesem Hintergrund ist es effektiver, wenn der erste Urnenngang noch zur Schulzeit möglich ist. Das gibt der Schule die Möglichkeit, dieses Ereignis vorzubereiten und für eine hohe Wahlbeteiligung beim ersten Urnengang zu sorgen, die sich dann in der Folge in einer fortfolgend höheren Wahlbeteiligung der Kohorte niederschlägt.

Auch das oft geäußerte Argument der Verfassungsfeindlichkeit eines aktiven Wahlrechts ab 16 Jahren verfängt nicht. In seinem Urteil vom 13. Juni 2018 (Bundesverwaltungsgericht – BVerwG 10 C 8.17) hat das BVerwG kürzlich erst festgestellt, dass ein Wahlrecht ab 16 Jahren, also ein Minderjährigenwahlrecht, nicht gegen das Grundgesetz verstößt. In diesem Verfahren stimmte das BVerwG der Vorinstanz, dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim (Urteil vom 21. Juli 2017, VHG 1 S. 1240/16) zu, dass der Gesetzgeber den ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz zu beachten hat, dass das aktive Wahlrecht ein Mindestmaß an Reife und Urteilskraft und daher ein entsprechendes Mindestalter, also einen gewissen Grad an politischer Einsichtsfähigkeit voraussetze. Bei der Festlegung des Wahlalters kommt dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu. Expertenanhörungen in Gesetzgebungsverfahren anderer Länder, die schon früher das Wahlalter für Landtags- oder Kommunalwahlen auf 16 Jahre gesenkt haben, haben aufgezeigt, dass Jugendliche ab 16 Jahren typischerweise die notwendige Reife besitzen, um an Kommunalwahlen teilnehmen zu können.

Aus der Perspektive der oben genannten Argumente ist die logische Schlussfolgerung, das aktive Wahlalter für Kommunalwahlen in Bayern auf 16 Jahre zu senken. Auf diese Weise gewährleisten wir Jugendlichen eine angemessene Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben, die sich an den verantwortungsvoller gewordenen Tätigkeiten und Entscheidungen ihrer neuen Lebensrealität orientiert.

B)        Lösung

Das aktive Wahlalter bei Landtags-, Gemeinde- und Landkreiswahlen wird jeweils von 18 Jahre auf 16 Jahre gesenkt. Wegen der Verweisungsvorschrift des Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 Bezirkswahlgesetz (BezWG) auf Art. 1 Abs. 1 Landeswahlgesetz (LWG) erübrigt sich eine eigenständige Regelung im BezWG. Die Absenkung führt auch zu einer Absenkung des aktiven Wahlalters bei Bezirkswahlen.

C)        Alternativen

Keine

D)        Kosten

Die Absenkung des aktiven Wahlalters führt wegen der Steigerung der Anzahl der Stimmberechtigten zu einer Erhöhung der Kosten für die Durchführung von Landtags-, Gemeinde- und Landkreiswahlen, Volksbegehren, Volksentscheiden und Volksbefragungen sowie Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden. Die Kostensteigerung ist jedoch nicht quantifizierbar, weil sie von der Inanspruchnahme der Teilnahme der Neustimmberechtigten abhängt.

Gesetzentwurf

zur Änderung der Verfassung, des Landeswahlgesetzes und des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes

§ 1

Änderung der Verfassung

In Art. 7 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 (GVBl. S. 991, 992 BayRS 100-1-I), die zuletzt durch Gesetze vom 11. November 2013 (GVBl. S. 638, 639, 640, 641,642) geändert worden ist, werden die Wörter „18. Lebensjahr“ durch die Wörter „16. Lebensjahr“ ersetzt.

§ 2

Änderung des Landeswahlgesetzes

Das Landeswahlgesetzes (LWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Ju­li 2002 (GVBl. S. 277, 278, 620, BayRS 111-1-I), das zuletzt durch § 8 des Gesetzes vom 12. Juli 2017 (GVBl. S. 362) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

  1. In Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 werden die Wörter „18. Lebensjahr“ durch die Wörter „16. Lebensjahr“ ersetzt;
  2. In Art. 22 Satz 1 werden nach dem Wort „Person“ die Wörter „ , die das 18. Lebensjahr vollendet hat“ eingefügt.

§ 3

Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes

In Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes (GLKrWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. November 2006 (GVBl. S. 834, BayRS 2021-1/2-I), das zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 22. März 2018 (GVBl. S. 145) geändert worden ist, werden die Wörter „18. Lebensjahr“ durch die Wörter „16. Lebensjahr“ ersetzt.

§ 4

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am ………………………………….… in Kraft.