Konversion von Komplexeinrichtungen entscheidend voranbringen IV - Transparente Förderkriterien
Antrag der Abgeordneten Martin Hagen, Julika Sandt, Alexander Muthmann, Matthias Fischbach und Fraktion (FDP)
Der Landtag wolle beschließen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, unverzüglich eine Richtlinie zur Förderung der Konversion von Komplexeinrichtungen zu veröffentlichen. Ergänzend zu den bisher bekannten Förderkriterien sind folgende Punkte in die neue Richtlinie aufzunehmen:
- Ausweitung der Förderung auch auf Einrichtungen für Menschen mit seelischer Behinderung
- Eine Erweiterung der Definition der Komplexeinrichtungen, die auch solche Einrichtungen einbezieht, die mit weniger als 100 Bewohnerinnen und Bewohnern dennoch als Komplexeinrichtung angesehen werden können
- Verbesserung der Attraktivität für die Schaffung von kleineren Einheiten als nur der bisher geförderten Einrichtungen für 24 Personen
- Verbesserung der Förderung von kleinen und inklusiven Wohnprojekten, wie beispielsweise dem gemeinsamen Wohnen von Menschen mit und ohne Behinderung "unter einem Dach" bzw. in einer Wohnung
- Aufnahme des Ausbaus der digitalen Infrastruktur als wichtigen Bestandteil der Förderung
- Förderung von Umschulungen bestehenden Personals, damit erfahrene Mitarbeiter zukünftig als Netzwerk-/Inklusionsmanager in den dezentralen Einrichtungen arbeiten können
- Berücksichtigung der Kosten für einen etwaigen Rückbau der bestehenden Standorte
- Verbesserung der Förderung der bestehenden Standorte bei einer Umwidmung zu inklusiven Sozialräumen
- Im Rahmen der Konversion von Komplexeinrichtungen soll auch die Schaffung eines Nachtdienstes für Menschen mit Mehrfachbehinderung in dezentralen Wohnprojekten förderfähig werden.
- Darüber hinaus sind gemeinsam mit Betroffenenverbänden weitere Kriterien zu identifizieren, deren Förderung die Wahlfreiheit der Menschen mit Mehrfachbehinderung sicherstellen würde. Diese sind dann entsprechend in die Förderrichtlinie aufzunehmen.
Begründung
In der Anhörung zur Konversion von Komplexeinrichtungen am 28.01.2021 im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Familie und Jugend haben mehrere eingeladene Sachverständige kritisiert, dass zur Förderung der Konversion von Komplexeinrichtungen immer noch keine Richtlinie veröffentlicht wurde, die die Kriterien konkretisiert. Ohne eine klare Förderrichtlinie wird jedoch weiterhin viel Intransparenz bei der Förderung der Komplexeinrichtungen herrschen. Im schlimmsten Fall kann diese Intransparenz dazu führen, dass sich Projekte verzögern. Zudem wurde die Befürchtung geäußert, dass Menschen mit Mehrfachbehinderungen nur teilweise von diesem Prozess profitieren könnten. Vor allem der hohe Betreuungsbedarf dieser Menschen lässt sich derzeit über die Förderkriterien nicht abdecken
Die bisher bekannten Förderkriterien für die Konversion von Komplexeinrichtungen werden von Experten als unzureichend angesehen, da beispielsweise Einrichtungen für Menschen mit seelischer Behinderung bisher von der Förderung ausgeschlossen sind. Ein solches Ausschlusskriterium wird jedoch dem Grundgedanken einer inklusiven Gesellschaft nicht gerecht und würde dazu führen, dass Menschen mit seelischer Behinderung weiterhin meist isoliert leben würden und Bayern dementsprechend die Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention nicht erfüllen würde. Aber auch weitere Restriktionen bei der bisherigen Förderung gefährden die Erreichung des Ziels einer inklusiven Gesellschaft, wie beispielsweise die Einschränkung, dass nur Einrichtungen mit mehr als 100 Bewohnerinnen und Benwohnern als Komplexeinrichtungen gelten. Nach Meinung der Experten können jedoch durchaus auch kleinere Einrichtungen den Charakter einer Komplexeinrichtung haben, besonders, wenn sich diese an sehr abgelegenen Orten befinden, bzw. bisher schlecht an den öffentlichen Nahverkehr angebunden sind.
Echte Inklusion ist nur dann geschaffen, wenn Menschen mit und ohne Behinderung dieselbe Infrastruktur nutzen und dieselben Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe haben. Es muss daher für Betreiber der Komplexeinrichtungen attraktiver werden, auch sehr kleine Wohneinheiten zu schaffen, bzw. auch Wohnprojekte aufzubauen, in denen Menschen mit und ohne Behinderung unter einem Dach bzw. in einer Wohnung leben. Dazu ist es aber wichtig, dass die neu geschaffenen Einheiten auch über eine exzellente digitale Infrastruktur verfügen. Nicht nur damit den Bewohnerinnen und Bewohnern digitale Teilhabe ermöglicht wird, sondern damit auch für Menschen ohne Behinderung ein Wohnen - ggf. auch digitales Lernen und Arbeiten - in solchen Anlagen attraktiv wird.
Ein weiterer Nachteil der bisherigen Förderkriterien ist die einseitige Fokussierung auf die reine Dezentralisierung oder Schließung bestehender Standorte. Die Träger und Kommunen erhalten bisher keine oder nicht ausreichende Förderung, um die bestehenden Standorte weiterzuentwickeln oder bei einer kompletten Dezentralisierung rückzubauen.
Die bisher unklaren Regelungen zur Förderung von Menschen mit Mehrfachbehinderungen könnten dazu führen, dass zwar für viele Menschen mit Behinderung eine Wahlfreiheit entsteht, gleichzeitig aber Menschen mit Mehrfachbehinderung weiterhin in Einrichtungen verbleiben müssen, die den Charakter einer Komplexeinrichtung haben. Das würde jedoch dem Grundgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention widersprechen.
Ein Beispiel hierfür ist der "Nachtdienst", der sicherstellt, dass auch während der Nacht eine Betreuungsperson verfügbar ist, um Menschen bei Problemen zu unterstützen. In den bisherigen Komplexeinrichtungen wird diese Aufgabe durch das dortige Personal ausgeübt. Im Rahmen der Konversion wird jedoch die Einrichtung dieser Dienstleistung in den dezentralen Wohneinheiten nicht förderfähig. Darüber hinaus finden sich jedoch auch weitere Hürden, die die Konversion auch für Menschen mit Mehrfachbehinderung erschweren. Um diese zu identifizieren und entsprechend in der Förderrichtlinie zu berücksichtigen, muss die Staatsregierung in Austausch mit den Betroffenenverbänden treten.